Inneres Tier

Inneres Tier

Eine Wissenschaftlerin betreibt ein unterirdisches Labor, in welchem sie geheime therapeutische Experimente unternimmt. Sie hat eine Methode herausgefunden, die sehr umstritten und sogar illegal ist. Ich betrachte die Poster an der Wand und sehe mit Grausen die zum Teil sehr ekelhaften Darstellungen ihrer Heilmethode. Aus den Menschen bricht von innen ein Tier hervor. Dabei platzt die fleischliche äußere Hülle des Körpers auf, und das Tier schält sich heraus. Eine Darstellung nach der anderen zeigt die verschiedenen Etappen dieser Entfesselung und eine sieht widerlicher aus als die andere. Mal springen dem Patienten zunächst die Augen heraus, dann stößt sich die Schnauze des Tieres von innen durch den Mund und zerreißt das Gesicht, mal platzt die ganze Seite auf und der haarige Tierkörper kommt zum Vorschein. Es ist mir unvorstellbar, wieso diese Patienten so etwas freiwillig mit sich machen lassen. Zudem ist dieser Vorgang noch äußerst schmerzhaft und ich höre die gräßlichen Schreie, die die Mensche, welche dieser Verwandlung unterzogen sind, ausstoßen.

Ich wohne einigen solcher Behandlungen bei. Offenbar sind die Menschen mit den Hilfsmittel der modernen Technik soweit gesegnet, daß Arme, Beine, Augen, verschiedene Zusatzorgane von hochentwickelten Apparaten ersetzt werden. Manche Patienten sind gar nicht mehr als Mensch zu erkennen, sie sind vollkommen in eine Maschine integriert und all ihre Bewegungen und ihr Sprechen wird von hochspezialisierten Geräten übernommen.

Ich sehe, wie sich ein solcher halbmaschineller Mensch, auf den Behandlungstisch der Wissenschaftlerin legt. Ich spüre sein Verlangen, von dieser Maschine befreit zu werden und ich beginne zu verstehen, warum die Patienten diese furchtbare Behandlung über sich ergehen lassen. Aber um das Tier zu erwecken und aus dem halbmenschlichen Körper herauszuholen, muß die Wissenschaftlerin sehr viele ausgeklügelte Mechanismen überlisten, die der Computer zum Schutz und zur Kontrolle des Körpers im Programm hat. Ich sehe, wie sie routiniert einige Warnsignale außer Kraft setzt und mit der Erweckung des Tieres beginnt. Sie stößt auf immer neue Abwehrmechanismen, die sie mit den von ihr entwickelten Methoden ausschaltet und immer tiefer eindringt in das Kontrollsystem. Irgendwie spüre ich diesmal eine unheilvolle Ahnung. Ich ahne, daß dies der letzte Patient sein wird und daß etwas Furchtbares passiert, wenn die Behandlung nicht unterbrochen wird. Aber ich bin nicht fähig, einzugreifen und kann nur beobachten, was passiert. Die Schaltkreise des Patienten werden immer schwieriger zu überlisten, die ausgelösten Alarmstufen immer höher, offenbar ahnt auch der integrierte Computer etwas von der unheilvollen Kraft, die dabei ist, geweckt zu werden, nachdem sie so lange Zeit geschlafen hat. Er weiß, mit welcher Macht und Gewalt sie ausgestattet ist und welche zerstörerische Kraft sich in ihr angesammelt hat. Er unternimmt so verzweifelt, wie ein Elektronengehirn nur sein kann, alles, um diese Entwicklung zu unterbrechen. Der menschliche Teil des Patienten ist ebenfalls unruhig, führt diese Unruhe aber auf allgemeine Aufregung ob der bevorstehenden schmerzhaften Umwandlung zurück und bittet die Ärztin, die etwas zögert, fortzufahren. Er will befreit werden aus dieser verdrahteten Konservendose und er sehnt sich nach der ungebundenen Kraft des in ihm schlafenden Tieres. Mit einem letzten Aufbäumen der Schaltkreise und einem letzten Überlisten der Sicherheitssysteme beginnt das Tier zu erwachen. Aber diesmal ist es nicht nur bloß ein Tier. Es ist eine gewaltige unheilvolle Macht, die den Körper des Patienten in Stücke reißt und die Wissenschaftlerin an die Wand schleudert. Die entfesselte Kraft ist so ungeheuer, daß die Bolzen aus ihren Verankerungen springen und das Labor Stück für Stück in sich zusammenfällt. Die Wände stürzen zusammen, die Gläser zerspringen und die elektrischen Geräte verglühen in einem Funkenregen. Ich beginne zu fliehen, weg von dieser Macht, die beginnt, mich zu verfolgen. Meine Begleiter treffe ich im Gang und rufe ihnen im Laufen zu, sie mögen machen, daß sie fortkommen. Wir versuchen, aus dem unterirdischen Labyrinth herauszukommen. Hinter uns bricht alles zusammen und geht in Flammen auf. Die Macht ist ein Wirbel, der so schnell ist, daß er alles, was ihm in den Weg kommt, zerbersten und zersplittern läßt. Wir haben den Ausgang erreicht und fliehen in unser Auto, kämpfen mit dem Anlasser, setzen zurück und sehen, wie vor uns die Macht aus dem zerstörten Labor dringt und sich in eine gewaltige Ameise verwandelt. Mit ihren Beißwerkzeugen schnellt sie nach vorne und erfaßt unser Auto. Knirschend und splitternd zerdrückt sie den vorderen Teil, ich lehne mich zurück, soweit ich kann. Als sie abläßt, sind wir zum Glück unversehrt. Einer liegt noch immer auf dem Armaturenbrett. Ich klopfe ihm auf die Schulter und sage „He! Was ist los?“ Als er nicht reagiert, greife ich ihm an der Schulter und ziehe ihn hoch. Mit Entsetzen sehe ich, wie die Hälfte seines Kopfes zerdrückt auf dem Armaturenbrett liegenbleibt.